Einer für Alle(s) – Armerlite Brooks 16
Im Winter 2010/11 nahmen wir das erste mal Tuchfühlung auf mit einem Kanadier aus einem neuartigen Thermoplast-Verbundwerkstoff auf, Armerlite. Mit dem Armerlite Brooks 16 ging es sogleich zu einer abenteuerlichen Tagestour an den vereisten Schwarzen Regen, im Bayrischen Wald. Seitdem ist das unverwüstliche Canoe unser Begleiter auf zahlreichen Abenteuern, vom sportlichen Gebirgs-Wanderfluss bis zu den Seen Mecklenburgs oder der Küste Sloweniens und der Ostsee. Yvonne Ziermann berichtet von Ihrer Erfahrung, aus fünf Jahren Brooks 16.
Eierlegende Wollmilchsau
Vom entspannten Feierabendpaddeln zum Sundowner auf der heimischen Bleilochtalsperre, bis zur Mehrtages-Gepäcktour, dazu leicht und von einer Person zu tragen, Platz für zwei mit kleinem Hund, wendig für kleinere Flüsse , gutmütig im Fahrverhalten, hohe Zuladung, hohe mechanische Belastbarkeit und Abriebsfestigkeit und sicher genug für Großgewässer. Das waren die Vorstellungen, die unser neues Arbeitspferd als offenes Kanu erfüllen sollte. Schon damals fiel Royalex nicht in die engere Wahl, da die häufig anzutreffenden Kevlar-Bugverstärkungen, meine Vorstellung von einem optisch-homogenen Eindruck und mein ästhetisches Empfinden ziemlich beleidigte. Die Bootsform, angelehnt an die gängige Form 16er Prospector Canoes, hat uns bereits vorher bei anderen Booten, als die, unserer Vorstellung entsprechende Form mit den gewünschten Eigenschaften zugesagt.
Wendig auf Gebirgs- und Mittelgebirgsflüssen
Der Armerlite Brooks 16 ist in den letzten 5 Jahren als robustes Arbeitsboot, mit Kameraausrüstung, oft mit Gepäck und zusätzlichem Kamera-Multicopter, für den das Canoe auch gleich als Start- und Landeplattform dient, eingesetzt worden. Sei es auf der Wiesent in der Fränkischen Schweiz, auf der Oberen Saale, am Schwarzen Regen, auf der Ostrava, dem Main, der Naab und der Waldnaab und vielen weiteren Flüssen zum Einsatz gekommen, dabei gab es manche unsanfte Grundberührung auch Fels und Stein, die das Boot stets klaglos weggesteckt hat. Der leicht breitere Radius im Bugbereich nimmt zudem eine stärkere Energie bei einer Bugberührung schadlos auf, als wenn der Bug zu spitz zulaufen würde. Der Brooks ist zu zweit ebenso gut paddelbar wie auch als Solokanu. Durch die symetrische Rumpfform, paddelt man allein, das Kanu einfach mit dem Heck voraus. Für einen besseren Trimm empfiehlt sich dazu, ausreichend Gewicht im Bugbereich zu stauen, dass das Boot mit voller Wasserlinie gut aufliegt. Auf einem Fließgewässer kann man sogar darauf verzichten, da die Drehfreudigkeit und die daraus resultierende hervorragende Manövrierfähigkeit darunter nicht leidet, wenn der Bug etwas weiter aus dem Wasser ragt. Mit nur einem Bogenschlag dreht das Canoe um gut 90° in die gewünschte Richtung. Mit dem J-Schlag lässt sich der Brooks super auf Kurs halten und zwei versierte Paddler schaffen es sogar, das Kanu aus voller Fahrt voraus mit je einem Paddelschlag um 180° komplett zu Wenden. Bei all den Manövern bleibt der Brooks 16, stoisch gutmütig. Auch wenn es die Wood-Canvas Puristen zum Aufschrei bringt, aufgekantet, kann der Brooks sogar „kringeln“.
Gut beherrschbar auf Großgewässern und Seen
Bedenkt man den ursprünglichen Einsatzzweck von Prospector-Type-Canoes, die ursprünglich dafür gebaut wurden, Geologen in abgelegene Reviere des Yukon, des Snake River, des Klondyke und anderen Flüssen des nordamerikanischen Polarkreisgebiets, mit viel Ausrüstung hin und sicher wieder zurück zu bringen, denkt man, dass der Kanadier für größere Gewässer weniger geeignet ist, doch das stimmt so nicht. Auf Großgewässern ist ein sauberer Trimm des Kanus wichtig, da der Wind eine bestimmendere Rolle einnimmt. Ragt der Bug zu weit raus und der Wind kommt von vorn oder vorlich seitlich, neigt das Boot zum Gieren, also zum drehen mit dem Wind. Bei ausgewogenen Trimm ist diese Tendenz beherrschbar. Seitlicher Wind führt zu einem gewissen Maß an seitlichem Versatz, was man mit etwas Erfahrung und entsprechendem Vorhaltewinkel sehr gut kompensieren kann. Auf Seen mag es der Brooks 16, wenn man eine Mindestgeschwindigkeit von etwa 4 – 5 km/h einhält, dann liegt genug laminare Strömung durch die Fahrt durchs Wasser am Boot an, dass es sich sehr gut voranbringen lässt und die Tendenz zum Gieren verliert. Zu zweit ist das also absolut kein Problem, wir erreichen im Team etwa 8 – 10 Kilometer die Stunde, was auch etwas an der Windrichtung und Stärke liegt. Sobald man von einem See wieder in einen der kleinen Stichkanäle, die für Mecklenburg typisch sind kommt kann man unter Windschutz auch mal wieder langsamer machen. Wellen nimmt der Brooks gelassen egal ob Windwellen von vorn oder achtern oder Motorbootwellen von der Seite, durch die auch beladen gute Manövrierbarkeit, reicht ein leichtes Eindrehen zur Welle, dass die nicht exakt im rechten Winkel einschlägt, und der Brooks tänzelt darüber hinweg. Auch auf Donau, Elbe und Oder ließ sich der Brooks 16 von uns gut beherrschen.
Spantform und Kielsprung
Durch den stäbigen U-Spant, der zu den Enden hin zu einem Rundspant verläuft und den leichten Kielsprung, hat das Boot eine hohe Anfangsstabilität, was besonders Einsteigern in den Kanusport entgegenkommen dürfte. Die Endstabilität des 16er Brooks ist üppig und ausreichend. Es ist uns noch nicht gelungen, das Kanu in eine Lage zu bringen, dass er kippen würde, gleich ob auf dem Wasser stehend oder in Fahrt.
Einsatzspektrum und Paddlerzielgruppe
Der Armerlite Brooks 16 ist das ideale Boot für Abenteuerreisende, da das Material nahezu unverwüstlich ist. Sehr gut geeignet ist er auch für die naturliebende Familie mit ein bis zwei Kindern unter 1,5 Meter Körpergröße oder einem Teenager. Unser Hund fühlt sich im Brooks „pudelwohl“, turnt während der Fahrt auch mal auf dem Sitz herum, legt sich hin, schläft tief und fest oder linst neugierig über den Süllrand. Sind die Kinder schon größer und brauchen mehr Platz, gibt es den Brooks auch als 17er und sogar als 18er für die Großfamilie mit bis zu 7 Sitzplätzen. Mit unserer Wanigan, die der Spantform entspricht und die Kochutensilien enthält, steht sogar ein variabel verschiebbarer dritter Sitz zur Verfügung, diese ist aber nicht Bestandteil des Bootes, sondern mit etwas Geschick ein Bastelprojekt für lange Winterabende. Für Alleinreisende Expeditionspaddler taugt der Brooks 16 genauso gut wie für ein Pärchen ohne, oder wo die Kinder bereits ausgeflogen sind. Mit einem Wort, ein hervorragender Kompromiss aus Allem für ein Allround-Canoe.
Langlebig und Ressourcen schonend – Ausstattung
Einer der Gründe für den Armerlite Brooks 16, war für uns auch, die Nachhaltigkeit der Anschaffung. Uns gefällt der Gedanke, dass sollte an dem Boot mal ein ernsthafter Schaden sein, wie ein Bruch z.B., was wir bisher noch nicht geschafft haben, dann kann das Kanu im Herstellerbetrieb komplett zerlegt, ausgebessert und neu aufgebacken werden. Der Reparaturpreis für so eine Maßnahme, liegt bei etwa einem Viertel des Neupreises und von uns für einen Wochenendtrip in den Bayrischen Wald, ist es nicht so weit. In den letzten Jahren hat sich die Farbgebung der Armerlite Kanus auch erweitert, so dass von Schwarz, über Rot, Mango, Blau und Grün bis hin zu Weiss, für die meisten die passende Farbe wählbar ist. Die Ausbauvarianten reichen vom Vinyl-Süllrand mit Gurtband-Flechtsitzen, bis zum Esche Süllrand mit edlen Rattangeflecht-Sitzen. Der Brooks 16 ist seit der 2017er Kollektion wahlweise als Touring- oder Adventure-Version verfügbar. Die Adventure-Version hat zusätzlich Fixpunkte für Kniegurte und aufblasbare Auftriebskörper in Bug und Heck, die mit Expandergummis und Gurt im Boot fixiert werden und den Brooks 16 als Abenteuerboot für diverse Alpenflüsse mit gemäßigtem Wildwasser empfehlen.
Meckerecke?
Gibt es denn gar nichts Nachteiliges fragen Sie sich? Doch, ein Kleinigkeit gibt es. Die Sitze hängen sehr tief, was für Anfänger und Verleiher recht interessant scheint, für erfahrene Paddler mit Schuhgröße über 41 ist es schwierig mit den Füßen unter den Sitz in den Kniesitz zu kommen. Schön wäre hier, die Wahlmöglichkeit eines um 5 Zentimeter höher angebrachten Sitzes, für handwerklich Unbedarfte. Wir haben uns damit beholfen, den Sitz an der inneren Aufhängung abzuschrauben und pro Sitz und Seite, also insgesamt 4 Eschenleisten (geht auch Buche oder jedes andere Hartholz) in der Länge der Aluhalterung abzulängen und an den Sitzbohrungen zu durchbohren. Diese Leisten legten wir unter die Sitze und haben die wieder fest verschraubt, was das Problem schnell und einfach behebt und von uns als „normales Boatfitting“ betrachtet wird, das eh jeder selber für sich macht.
Fazit:
Für einen guten Preis erhält man ein langlebiges Allroundboot, mit guten Fahreigenschaften, das auf nahezu allen Gewässern bis Wildwasser II – III je nach Können, zu Hause ist. Die Fahreigenschaften sind gutmütig und ausgewogen, die Zuladung beachtlich, besonders der Nachhaltigkeitsgedanke des Refittings ist ein echter Mehrwert für ein langlebiges Produkt wie ein Canoe und trägt dem Umweltschutzgedanken vorbildlich Rechnung, dem sich Paddler verpflichtet fühlen, als unmittelbar mit Pulsfühlung zur Natur Reisende.
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