Projekt Beschreibung

Regenflucht aus Paddelsucht – Schwedische Schären für Kurzentschlossene

Der Wetterbericht für die deutsche Ostseeküste, verspricht Regen, die nächste Sonne gibts in Schweden, auf in den Schärengarten Südschwedens.

Zwischen Karlshamn und Karlskrona, befindet sich ein zauberhafter Schärengarten, mit hoch aufragenden Ufern. Wir haben diesmal nur eine Woche Zeit und Höga Kustan ist dafür zu weit. Unser wohlwollender Blick fällt auf der Landkarte, auf einen kleinen und feinen Schärengarten, mit vielen Naturreservaten ringsum und der Name lockt, Järnaviks Naturreservat – soviel Schwedisch verstehen wir, also hin.

Anfahrt mit Irrtümern

Googeln hilft nicht immer, vorher selber kritisch nachdenken, wäre besser. Die Entscheidung für Schweden fiel sehr spontan und kurzfristig. In der selben Nacht, buchten wir die Fähre Rostock – Gedser und hatten die Öresundbrücke nicht auf dem Schirm. Zu schnell und zu schlampig recherchiert und dann auch noch nur an der Mautstation bezahlt, ohne BroPas oder sonstigen Rabbatt. 212 Euro ist eine stattliche Abzocke für Hin- und zurück. Das nächste mal werden wir von uns aus über Swinouscje/Swinemünde, die Fähre nach Ystad nehmen. Swinemünde liegt von uns aus gesehen als Fährhafen am nähsten und mit etwa 210 Euro hin- und rück mit dem Bulli, sind die Kosten für die Gesamtpassage deutlich günstiger, da die Fähre Rostock – Gedser wegfällt, die Öresundbrücke und 200 Kilometer Fahrstrecke durch Dänemark und Schweden. Das nächstemal sind wir klüger.
Wir verlassen die Fähre Rostock – Gedser und suchen einen Stellplatz für die Nacht, doch vorsicht, in Dänemark ist wild campen im Wohnmobil verboten und dazu zählen die auch einen einfach ausgebauten Bulli. Auf dem Parkplatz des Seglerhafens Gedser finden sich genug Stellplätze, gezahlt wir am Kassenautomaten des Hafenmeisters.

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Im Schärenparadies

Auf gut ausgebauten Straßen erreichen wir, vorbei an Kopenhagen und Malmö den Schärengarten zwischen Karlshamn und Karlskrona. Nach Inaugenscheinnahme möglicher Einbootstellen, ziehen wir vor zum Campingplatz Järnaviks Camping in Bräkne Hoby. Die Preise sind moderat, der Stellplatz schön und der Weg zum Sandstrand und Schärengarten kurz, er grenzt direkt an den Platz an. Wir bereiten uns auf die Nacht vor und auf der Feuerschale mit Grill „Sollig“, von EOE – Eifel Outdoor Equipment bruzzelts lecker, Zeit für ein Raubritter Dunkel, wir haben die Bierreserven aus Deutschland mitgebracht, was bei einem Skandinavienurlaub sinnvoll ist.

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Hoch überm Schärengarten

Nach langer Autofahrt und dem Abendessen, gehts sogleich in den Järnavik Naturpark. Wir steigen etwa 70 Meter hoch auf die Schären und genießen das weiche, warme Abendlicht der Sonne – Deutsche Ostseeküste oder polnische? – Regen, für die ganze Woche gemeldet – alles richtig gemacht. Ghismo liebt es über den warmen Fels zu toben, bekränzt von Wachholderstauden und niedrigen Windflüchter-Birken. Auf der vieltausendfach glitzernden Wasserfläche, 2 SUP-Paddler und am Horizont einige Motorboote. In unserer Bucht herrscht Motorboot-Verbot, erst hinter der kleinen, vorgelagerten Schäreninsel dürfen Motorboote fahren. Der Blick schweift zum Naturreservat der Insel Tjärö und über einige weitere Schäreninseln unterschiedlichster Größe. Wir haben uns sofort in diesen Landstrich verliebt, am Lagerfeuer in der Feuerschale klingt der Tag aus und wir genießen das sein – einfach mal Seele baumeln, herrlich.

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Erste Paddelschläge im Astrid Lindgren Land

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen gehts los, mit dem Delsyk Nifty 440 für Yvonne und Bootsmaatshund Ghismo und dem Delsyk Akula für mich, brechen wir auf um uns mit dem Schärenrevier vom Wasser aus vertraut zu machen. Zuerst folgen wir dem backbordseitigem Steilufer, aus rosa Granit. Blättrige Braunalgen, bestimmt essbar wiegen im Wasser und vereinzelt ragen kleine Felsbuckel aus dem Wasser, Ein malerisches Blockhaus in Schwednrot verkeilt auf Fels voraus und zwischen Neugier und Fluchtscheu schwankende Kormorane, auf nackten Schäreninselchen. Ghismo und Yvonne paddeln malerisch vor dem Weichbild und wir paddeln rüber auf die kleine namenlose Schäreninsel, die uns gerade groß genug und nicht zu klein für uns erscheint. Wir haben Glück und sind heute die einzigen Insulaner. Ein lockeres Birkenwäldchen und Wachholder-Bewuchs, Flechten auf dem nackten Fels und ein kleiner Biwakplatz, mit alter LKW-Felge als Feuerstelle und einigen grob gerichteten Sitzbänken drumrum, Allemansrätt zum Wohlfühlen. Wir bleiben, sonnen, schwimmen und genießen den Entschleunigertag, bevor wir abends schweren Herzens das Inselchen verlassen. Das nächste mal nehmen wir bestimmt noch ein kleines, freistehendes Geodätzelt mit um so eine Chance auch nutzen zu können, die eigene Robinsonade auf Zeit.

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Ferien auf Saltkrokan? – Alle Erwartungen und alle Klischees vom Schrebergärtner verwirklicht in schwedischem Schärenidyll

Wir wundern uns, gibt es schwedische Dauercamper mit spießigem Gehabe, deutscher Schrebergärtner? Mit dem Rasenmäher hantiert seit geraumer Zeit, ein Schwede meines Alters vor seinem, mit Holzterrasse und Vorzelt umbauten Wohnwagen neueren Baujahrs, auf und ab. Danach trimmt er mit einem Kantentrimmer, mit der Präzission eines Gehirnchirurgen, jedes noch so naseweise Grashälmlein, dass seinem vorherigen Bemühen entging. Yvonne und ich sehen uns nur verwundert an. Kaum mit dem Trimmer fertig, wird die eh schon blitzsaubere Holzterrasse gefegt und die in Rattanhabtik aus Kunststoff geflochtene Sitzgarnitur gewienert. Handelt es sich um einen deutschen Auswanderer? Doch nein, ein Gesprächsversuch in deutsch scheitert, wir klönen nun auf englisch und nein von Schrbergärtnern Wetdeutschlands und Dadschen im Osten, hat er noch nicht gehört. Kaum, dass er sein Werkzeug verräumt hat, startet in der Nähe ein anderer Rasenmäher, doch akkurat zur Mittagszeit endet das Dröhnen und geht von 15:00 Uhr bis 18:00 Uhr mal hier, mal da weiter. Wir hörens mittlerweile aus der Ferne und spazieren, wandern wäre zuviel gesagt, durch das Järnavik Naturreservat, in dem uns schon bald wieder Ruhe umfängt.

Herrliches Küsten- Schärenpaddeln

Ein Gewittertag zwang uns bis zum Nachmittag an Land. Ein Pärchen aus Dänemark, bezieht neben uns ihr Camp. Beide in etwa unserm Alter und offensichtlich aus großstädtischem Habitat. Nagelneue Kayaks, teure Laminatboote aus Carbon/Kevlar, die Ausrüstung, wie die beiden Kajaks vollständig neu und ohne die kleinste Gebrauchsspur. Hinter ihrem Japankombi, bauen die Beiden ein kleines Igluzelt auf, das Zelt, wie alles andere ausser dem Auto, ohne einen einzigen Makel, vorherigen Gebrauchs. Wir kommen ins Gespräch und die beiden sind etwas unsicher, wollen sie doch, nach Kajakkauf und Grundkurs über den Händler, nun ihre Bürojobs hinter sich lassen und etwas Abentuer schnppern. Ein guter Ansatz.

So wundert es nicht, dass kaum da die Gewitter vorüberzogen, die Beiden sich aufmachten die Küstenwelt zu erobern. Einige Zeit später starten wir in unsern Delsyk Kajaks „zu unserer Schäreninsel“, und kaum dass wir aus der Bucht etwas raus gepaddelt sind, kommen die Dänen schon wieder zurück, es ist ihnen doch noch zu kabbelig durch die Dünung aus dem vorangegangenen Gewitter. Gut so! Das ist Seemanschaft, die eigenen Grenzen, die sich mit jeder Erfahrung erweitern, zu erkennen und den Abbruch mit Rückfahrt oder sofortigem Anlanden zu entscheiden. Yvonne schließt sich den Dänen mit Ghismo an und ich fahre noche eine kleine Abenderkundungsrunde. Bald darauf wundere ich mich über eine lange und vergleichsweise hohe Dünung, die mit Macht und von unten aus dem Wasser heraus anrollt, ohne brechende Kämme oder sonstwie bedrohlich zu wirken, man merkt nur den mächtigen Hub und Sog, kompakten Wassers, garniert von Windwellen, sie mit kleinen spitzen Kämmen über die Dünung tanzen. Eine Erkundung in diese Bucht, eine in jene und nach gut eineinhalb Stunden paddle ich über die weite Wasserfläche zurück „nach Hause“. Hoch oben auf der Festland-Steilküste glaube ich Yvonne zu erkennen, die dort mit Ghismo tobt und spielt, ein schöner Anblick, als ob die Loreley dort auf dem rosa Granit tanzen und singen würde.

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Ein letztes mal, für dieses mal

Wie schnell die Zeit vergeht, da wir für An- und Abreise je einen Tag, mit Nacht und etwas Restfahrt gerechnet haben, bleibt nur noch ein Paddeltag. Wir brechen morgens bei herrlichstem Sommerwetter auf. Das Gewitter vom Vortag nur ein Intermezzo, die Wellen klein, die Brise aus Süd und auflandig. Wir paddeln westwärts in Richtung Köpegarda, um der offenen Welle weniger augesetzt zu sein. Wir nehmen einige Buchten mit, umrunden einige Schäreninseln und arbeiten uns langsam nach Tjärö vor, schleichen uns aus dem Windschatten an. Pause und Landgang auf der Naturreservatinsel. Wie im Gebiet weitverbreitet, sind auf den Granitfelsen noch deutlich gravierte Rinnen und Furchen erkennbar, die die Gletscher der letzten Eiszeit dem Fels beibrachten, als Miliarden Tonnen Eis daruf lagen, 3 Kilometer hoch, wie das heutige Inlandeis auf Grönland. Der nachlassende Pressddruck auf das Land durch das Gletschergewicht, führte zu einer Landhebung, die bis heute im Ostseeraum andauert, Die vom Gewicht befreiten und sich mit Schmelzwasser füllenden Senken, bildeten die Ostsee, das jüngste Meer auf unserem Planeten. Der Meerbooden und das umliegende Land hebt sich seit etwa 8000 Jahren und manche Bodendenkmäler und Orte der Bronzezeit und Wikingerzeit, liegen heute hoch über dem Meer, statt an dessen Uferlinie, wie zur Zeit ihrer Errichtung. Ales Stenar ist ein Beispiel, die Stadt und Insel Birka, ein Handelsplatz der Wikingerzeit, ein anderes. Birka lag noch vor 1000 Jahren als Handelstadt in einer Ostseebucht, heute in einem Binnensee, der durch die Landhebung vom offenen Ostseebereich getrennt ist.

In Gedanken paddeln wir allmählich zurück, verladen die Boot auf dem Dachträger und lassen den Abend, etwas wehmütig und entspannt angehen. Die Erlebnisse sind grandios  und wir kehren in einer Gaststätte ein.

Heimreise mit Wehmut

Gegen Mittag brechen wir auf, zurück in Richtung Gedser, wir haben eine Nachtfähre, bei freier Wahl gebucht. Über Ales Stenar und Malmö erreichen wir am zeitigen Abend Kopenhagen. Wir suchen ein Gasthaus auf dem Weg, was schwerer zu sein scheint als es klingt. Mit Google Maps hat Yvonne einen Seglerhafen mit einigen Restaurants ausgemacht. Wir biegen ab. Die  Szenerie wirkt irgendwie surreal. Eine dieser „Marinas“, die man ab Mitte der 1980er in Skandinavien und seit Mitte der 1990er in Mecklenburg-Vorpommern aus dem Boden gestampft hat.

Beton, Stegeanlagen, kaum Bewegung, alles wirkt irgendwie verwaist. Ist Mitte August die Saison schon zu Ende? Viele Yachten stehen hoch und trocken… „till salg“, zu verkaufen. Hat der Bankencrash 2008 hier auch zugeschlagen und sich die Szene seitdem nicht mehr erholt? Wir laufen um das riesige Hafenbecken, mit Hunger auf Fisch oder Krabben. Ein kleines Gasthäuslein, mehr Biergarten als was anderes, eher Schnellimbis als Restaurant ist nach dreimaligem Vorbeilaufen doch, als solches identifiziert. Mit bestellen im überfüllten Kleinstgastraum und Essen draussen, Selbstbedienung, aber immerhin, die Portion und der Geschmack ist topp. Weiter nach Gedser und durch die Suche nach einer Gaststätte, sehen wir die erhoffte Fähre gerade ablegen. Egal, 2 Stunden warten dann die nächste. Gegen 03:00 Uhr morgens Ankunft Rostock und ein Großaufgebot Bundespolizei. Die haben es nicht auf uns abgesehen, sondern ziehen 2 tiefergelegte, verspoilerte Luxuslimousinen aus dem Verkehr, mit vollem Programm, Pattschehändchen aufs Dach und so weiter. Uns fielen die Autos auch schon in Gedser auf, offensichtlich junge dynamische Drogenhändler oder ähnliche Kaliber organisierter Kriminalität, die waren zu auffällig.
Wie nach jeder Nord- oder Nordosttour, führt unser Heimweg über das Adventurecamp Solaris in Prenzlau, zu Andreas Knoll, alias Käptn Solaris, wo der Abend beschaulich, am Ufer des Unteruckersees ausklingt. Morgen gehts nach Hause.

Käptn_Solaris